Wann sollte man beginnen sein Kind zur Selbständigkeit zu erziehen?

Die Erziehung zur Selbständigkeit ist ein Prozess, der  mit der Geburt des Kindes beginnt und bis zur Entlassung aus der Erziehung andauert.  Damit ein Kind überhaupt selbständig werden kann, braucht es ein gewisses Urvertrauen. Kinder müssen sich sicher sein, dass sie bedingungslos geliebt werden, unabhängig von Erfolg oder Misserfolg. So können sie mutig die ersten Schritte in Richtung Selbstständigkeit gehen. Selbstständigkeit hat sehr viel mit Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl zu tun. Einem selbstbewussten Kind fällt es deutlich leichter, eigenständig zu handeln und Verantwortung zu übernehmen. Wichtig ist, dass Eltern erkennen, wie sie ihr Kind fördern können, ohne es zu überfordern. 

Wie kann man ein Kind unterstützen selbständig zu werden?

Kinder brauchen Freiräume, in denen sie Fähigkeiten testen und eigene Erfahrungen sammeln können (z.B. in Spielgruppen, Sportvereinen, Ausflüge in die Natur etc.). Die Einbindung der Kinder bei der Hausarbeit und die damit verbundene Übertragung von Verantwortung fördert ebenfalls die Selbständigkeit. Lassen Sie ihr Kind auch die Möglichkeit eigene Entscheidungen zu treffen! Wen möchte das Kind zur Geburtstagsfeier einladen? Welche Torte wünscht sich das Kind? Wenn wir unseren Kindern öfter mal entscheiden lassen – besonders bei Dingen, die sie selbst betreffen – lernen Sie das Schritt für Schritt. Und falls dann doch mal eine getroffene Entscheidung nicht das erwartete Glücksgefühl bringt: Trost und Aufmunterung sind das beste Mittel, um Selbstbewusstsein und Selbstständigkeit zu fördern. Auch das soziale Miteinander erfordert Selbständigkeit. Egal ob am Spielplatz, bei der Tagesmutter oder im Kindergarten, hier lernen sie Kompromisse einzugehen, sich zu behaupten oder aber auch einmal zurückzustecken.

Bei aller Selbständigkeit ist es aber wichtig, dem Kind zu vermitteln, das es sich an Regeln halten muss. Durch einen bestimmten Rahmen, den wir vorgeben, lernen die Kinder Verlässlichkeit und Verantwortungsgefühl. 

Eltern müssen also auch loslassen können?

Damit Kinder selbständig werden können, müssen Eltern bereit sein loszulassen. Dieses Loslassen kann natürlich aufgrund der engen Bindung auch sehr schmerzhaft sein (z.B. Kind mag nicht mehr gestillt werden, ersten Stunden in einer Fremdbetreuung, zum ersten Mal bei Oma und Opa übernachten, Schulkind mag den Schulweg alleine bestreiten, etc.). Den Eltern fällt der Abnabelungsprozess meist leichter, wenn er schrittweise erfolgt (z.B. sich möglichst früh für ein paar Stunden vom Kind zu trennen).

Loslassen beginnt im Kopf der Eltern. Eltern sollten sich immer wieder bewusst machen, dass ihre Kinder eines Tages ihr eigenes Leben führen, selbstständig Entscheidungen treffen und vielleicht Verantwortung für ihre eigenen Kinder übernehmen werden. Oft fällt es Eltern leichter loszulassen, wenn sie sich an ihre eigenen Abnabelungsversuche erinnern. Sicher können sich viele noch daran erinnern, wie schwer es war, die eigenen Eltern von etwas zu überzeugen. Und wie befriedigend und erleichternd, wenn das gelungen war. Das Hineinversetzen in die Wünsche der Kinder hilft dabei, sie langsam loslassen zu können. 

Soll man eingreifen, wenn etwas nicht gleich funktioniert?

Wenn Kinder versuchen etwas zu lernen, muss man ihnen die Zeit zum Üben und Ausprobieren lassen. Ein Beispiel das wir alle kennen: Zeitdruck der Eltern in der Früh, und das Kind will partout jetzt alleine die Schuhe anziehen. Lasse ich das Kind alleine die Schuhe anziehen oder helfe ich mit? Natürlich ist es besser, wenn es das Kind selber macht. Aufgrund des Zeitfaktors einzugreifen, ist nicht unterstützend und förderlich für das Kind. Was kann man tun? Vielleicht ein bisschen früher aufstehen und mehr Zeit einplanen.   

Sollte man Kinder bei Fortschritten belohnen?

Richtiges Loben ist sehr wichtig um das Selbstbewusstsein des Kindes zu stärken. Eltern betonen durch das Loben, dass sie sehr genau wissen, was alles in ihrem Kind steckt. So wird das Kind immer mehr an Selbstbewusstsein gewinnen. Bitte loben sie ihr Kind auch für das Nicht-Aufgeben und Weiterprobieren! 

Für eine besondere Anstrengung kann auch ab und zu ein Geschenk verteilt werden, Dennoch sollte das Kind IMMERwissen, dass Liebe und Leistung zu trennen ist!! Das Geschenk sollte nicht mit der Leistung verknüpft werden, sondern das Kind sollte spüren, dass es das Geschenk bekommt, weil seinen Eltern es lieben!

Gibt es eine Richtlinie ab welchem Alter ein Kind was können soll?

Natürlich gibt es Richtlinien. Die Frage, die wir Eltern uns stellen müssen ist, ob diese Richtlinien unser Leben und das Leben unserer Kinder bestimmen sollen oder nicht. Mein Kind kann mit 15 Monaten noch nicht alleine gehen, das Kind meiner Freundin ist schon mit 10 Monaten gelaufen. Das Kind einer Freundin kann mit 5 Jahren schon bis 30 zählen und mein Kind nicht einmal bis 10. Was ist normal? Wichtig ist sich auf das eigene Kind zu konzentrieren, bei Problemen die nötige Hilfestellung zu gewähren, immer wieder ausprobieren lassen, das Kind immer wieder motivieren und vor allem dem eigenen Kind zu vertrauen

Was ist, wenn das Kind viel mehr will, als es schon kann?

Aufgabe der Eltern ist es hier, den Prozess zur Zielerreichung in kleine Schritte zu zerlegen und Hilfestellung zu leisten, z.B. möchte das Kind auf eine Kletterwand bis ganz oben raufklettern und schafft es nur bis zur 3. Sprosse. Das Kind ist wütend und frustriert. Die Eltern sollten das Kind für seine Anstrengung loben, dass es schon die 3. Sprosse geschafft hat und trösten. Beim nächsten Besuch könnte  dann die 4. Sprosse als neues Ziel festgelegt werden und versucht werden, diese alleine zu erreichen. Wenn das Kind diese Stufe erreicht hat, kann das Ziel schrittweise erhöht werden. Ein anderes Beispiel wäre „Schuhe selber zubinden“. Wenn man ein Kind hat, das dann gleich sauer wird, weil es das nicht schafft, dann versucht man es in solche Schritte zu zerteilen, wo man weiß, das Kind schafft das. Zum Beispiel beim Schuhband die zwei Ohren zu legen und dann Stopp und am nächsten Tag weiter.  Das Kind hat zwischendurch Erfolgserlebnisse uns das Selbstbewusstsein wird gestärkt, dadurch kann das Endziel motivierter erreicht werden.

Wie geht man damit um, wenn das Kind frustriert ist, wenn es etwas nicht geschafft hat?

Für den Selbstwert des Kindes ist es notwendig, dass Ihr Kind nach Misserfolgen weiß, dass es nicht dumm und unfähig ist, sondern sich durch eigene Kraft aus einer schwierigen Situation befreien kann. Eltern müssen diese Strategie mit den Kindern üben. 

Kinder lernen auch hier von ihren Eltern, die Vorbildfunktion haben. Wie gehen die Eltern selbst mit Misserfolg um? Sind alle anderen daran schuld? Bleiben sie in der Opferhaltung und leiden still vor sich hin? Fühlen sie sich als generelle Versager mit der Perspektive, dass es eh nicht mehr besser wird?

Auf die innere Haltung kommt es an. Fühlt sich das Kind als genereller Versager, total in der Opferrolle und sieht die Schuld an allen anderen oder schafft es das Kind nach Zorn und Trauer den Misserfolg beiseite zu schieben und neuen Mut für einen Neustart zu mobilisieren? Das Kind weiß, dass es zwar grottenschlecht in Mathe ist, aber es bemüht sich zu lernen um einen Vierer zu schaffen und es spürt, dass seine Eltern es lieben. Auch hier ist die Trennung von Liebe und Leistung und das Bewusstsein der Kinder dafür sehr wichtig! 

 Sollte man sein Kind mit anderen Kindern vergleichen?

Eltern sollten sich nicht in den Sog des Vergleichens begeben und einem fremden Zielbild hinterherhetzen. Es wird immer ein Kind sein, das in bestimmten Bereichen mehr kann. Weil es selbständiger ist, weil es geschickter ist, weil es Geschwisterkinder hat, weil es belastbarer ist, weil es leisten muss um geliebt zu werden, etc. Es ist wichtig, dass die Eltern kühlen Kopf bewahren und das Kind behutsam und sacht im eigenen Tempo gehen lässt. Man kann es ein bisschen hineinschubsen und sagen: Probiere das noch einmal. Ich stehe hier, du kannst noch einmal versuchen hinauf zu klettern. Du schaffst das schon. Positiv motivieren, aber nicht überfordern. 

Nicole Stolz Member of Coachingnetwork