Wege aus der beruflichen Krise

Wege aus der beruflichen Krise

Werner Landsgesell (Werner.landsgesell@coachingnetwork.at)

Frau M., 52, war jahrzehntelang leitend in einer Film- und Fernsehproduktionsfirma tätig. Sie leidet zunehmend darunter, den stärker werdenden Druck ihrer Branche an MitarbeiterInnen weiterzugeben und hegt den Wunsch nach einer Tätigkeit im karitativen Bereich, vorzugsweise in „Non-Governmental Organizations“. Allerdings ist noch völlig unklar, wo genau und in welcher Funktion dies der Fall sein könnte.

 

Herr G., 47, stand nie der Sinn nach eintöniger Routine. Sein Werdegang war von Abwechslung und Abenteuerlust geprägt. Er bereiste weit entfernte Flecken dieses Planeten, durchlief verschiedene berufliche Stationen, stieg zum Art Director einer renommierten Werbeagentur auf, entschied sich für eine grundlegende Veränderung und geriet nach einigen Jahren in der Behindertenbetreuung in ein Burn-out. Nach einer Phase der Stabilisierung hat er nun das Gefühl, sich wieder neu orientieren zu müssen.

 

Frau H., 24, absolvierte ihr Theater- und Medienwissenschaftsstudium in der Mindestzeit und absolvierte währenddessen einige Praktika. Trotz ausgezeichneter Bewerbungsunterlagen muss sie feststellen, dass aufgrund massiven Andrangs in diesem Bereich kaum Aussicht auf eine qualifizierte Anstellung besteht.

Nun steht sie vor der Frage, in welchen Bereichen sie noch Fuß fassen könnte.

 

Schwierige Situationen

Diese Beispiele aus meiner Coachingpraxis stehen für eine Reihe teils höchst unterschiedlicher Ausgangslagen. Gemeinsam ist ihnen die Suche nach Veränderung. Erzwungen durch Kündigung und persönliche Krisen oder ausgelöst durch den Wunsch, lange gehegten Wünschen und Leidenschaften nachzugehen. Vergrößert man die Perspektive, spiegelt deren Querschnitt durchaus die Situation des gesamten Arbeitsmarktes wider. Langfristige Karriereplanungen werden erschwert durch die Flexibilisierung bzw. Verschärfung von Arbeitsverhältnissen, zunehmende Teilzeit- oder Kurzzeitverträge und drohende Rationalisierung als Folge wirtschaftlicher Krisenphasen. Möglicherweise stärkt gerade dies die Entschlussfreudigkeit, vorgeblich sichere Wege zu verlassen, um sich in neues, spannenderes und lustvolleres Terrain zu wagen. Warum sollte ich unter belastenden Bedingungen weiter arbeiten wollen, wenn nicht wenigstens die existentielle Versorgung dauerhaft gewährleistet ist?

 

Im günstigsten Fall bestehen konkrete Ziele für die weitere Zukunft und Pläne für deren Erreichung. Planung ist allerdings nur dann möglich, wenn es die Umstände erlauben. Dazu zählen ein Überblick über den offenen Arbeitsmarkt und die Feststellung, dass genügend ausgeschriebene Stellen im angestrebten Bereich vorhanden sind. Oder die Gewissheit, dass ich mich mit selbständigen Angeboten im Spannungsfeld von Angebot und Nachfrage erfolgsversprechend positionieren kann. Unter diesen positiven Vorzeichen kann unter anderem Unterstützung in dem reichen Angebot an Ratgeber-Literatur zum Thema Karriere und Marketing gefunden werden. Doch selbst die raffiniertesten Rezepte und Projektpläne können durch unerwartete Hindernisse gefährdet werden. Häufig tauchen diese aus dem eigenen Innenleben auf, etwa in Form von Selbstzweifel und Antriebslosigkeit.

 

Sollte auf dem offenen Markt das Angebot die Nachfrage übersteigen, bleibt, die eigenen Chancen durch den Zugang zum sogenannten verdeckten Arbeitsmarkt zu erhöhen. Seriöse Studien belegen, dass bis zu zwei Drittel an Stellen und Aufträgen informell, d. h. über persönliche Kontakte, vergeben werden. Die hier angebrachten Strategien wie Initiativbewerbungen oder Netzwerken erfordern ein hohes Maß an Einsatz, Beharrlichkeit und Frustrationstoleranz. Dabei helfen gut ausgeprägte Selbstmanagementfähigkeiten und der Glaube an die Wirksamkeit und Attraktivität der eigenen Angebote bzw. Leistungen. Auf andere zuzugehen, um die eigene Person ins Spiel zu bringen oder nach einer immer länger werdenden Liste von Absagen neuerliche Versuche zu starten, fällt in der Regel nicht leicht. Dabei auftretende Schwierigkeiten und Verunsicherungen sind nach meiner Erfahrung verbreitet und nur allzu menschlich.

 

Schließlich kann Unklarheit über die weitere Ausrichtung bestehen, weil der Zugang zu Ideen und Bedürfnissen versperrt ist oder äußere Umstände deren Verwirklichung verhindern. Verschärft werden kann diese Situation durch die Ungewissheit darüber, ob die vorhandenen Potentiale und Interessen überhaupt produktiv und zur Sicherung des eigenen Lebensunterhalts einsetzbar sind.

 

Gute Nachricht

Die gute Nachricht ist, dass es für die beschriebenen Ausgangslagen unterstützende Ansätze gibt, die einen Leitfaden für die Stärkung des Selbstwertgefühls und das Entwickeln und Umsetzen von Ideen vorgeben. Diese stammen aus dem systemischen Coaching, Mental-, Schauspiel- und Kreativitätstraining sowie aktuellen Strömungen der Wirschafts-Forschung.[1] Letztere beruhen auf Interviews mit erfolgreichen UnternehmerInnen und der daraus folgenden, unerwarteten Erkenntnis, dass die Offenheit für zufällige Fügungen, das kreative Schöpfen aus dem Moment und das Vorgehen in kleinen Schritten ebenso zu florierenden Projekten führen wie ausgeklügelte Businesspläne. Der hier beschriebene Prozess entspricht im Übrigen künstlerisch-kreativen Vorgehensweisen, wie etwa im Improvisationstheater. Wirtschaft und Kunst liegen offenbar näher beisammen als gemeinhin angenommen. Daraus kann gezielt Nutzen gezogen werden.

 

Die Bandbreite unterschiedlicher Situationen, in denen Orientierung erwünscht oder erforderlich wird, ist also beträchtlich. Gemeinsam ist allen, dass eine Reihe von Fähigkeiten und persönlichen Qualitäten benötigt wird, um sie zufriedenstellend aufzulösen. Diese reichen von effizientem Planen über das Kreieren von Ideen bis zur Werbung für die eigene Sache. Steht deren Ausprägung in einem guten Verhältnis zu den Herausforderungen, kann deren Bewältigung durchaus als reizvoll und motivierend erlebt werden.[2] Was aber, wenn oben erwähnte Schwierigkeiten eintreten, die meistens auf Überforderung beruhen? Wenn ich mich den gestellten Aufgaben nicht mehr gewachsen fühle, den Glauben daran verliere, das zu erreichen, was ich verdiene oder Angst vor der Kontaktaufnahme mit potentiellen GeschäftspartnerInnen bekomme? Wenn alle Tipps und Ratschläge aus dem persönlichen Umfeld oder aus Medien mehr Verwirrung und Verunsicherung bringen als Klarheit und Zuversicht?

 

Hier kann die professionelle Unterstützung und Begleitung von Coaches bei der Aktivierung eigener Bewältigungsmechanismen helfen. In einem geführten Prozess gelingt es Abstand zur eigenen Situation und dadurch einen klareren Blick zu gewinnen, bisherige Anstrengungen zu schätzen, das Zutrauen in die Entfaltung eigener Möglichkeiten zu stärken und eine passende Form für die Verwirklichung von Wünschen und Träumen angesichts realer Gegebenheiten zu finden.

 

Es werden keine vorgefertigten Patentrezepte verschrieben, sondern individuell hilfreiche Instrumente und Ansätze ausgewählt und ausprobiert. Von der Kunst der Improvisation bis zu Strategieentwicklung und Planung.

 

„Eigentlich bin ich ganz anders, aber ich komme so selten dazu“, lautet ein Zitat von Ödön von Horvath. Coaching kann dabei unterstützen, immer mehr zu dem zu werden, was man ist.

 

 

[1]Im Besonderen ist hier der „Effectuation „-Ansatz von Saras D. Sarasvathy gemeint, der in dem empfehlenswerten deutschsprachigen Standardwerk von Michael Faschingbauer ausführlich erläutert wird (Faschingbauer M. , 2013). Hier findet sich auch ein Beitrag von Helfried Faschingbauer, der spezielle, die Karriereentwicklung betreffende Aspekte vor dem Hintergrund seiner jahrzehntelangen Erfahrung als Coach und Führungskraft des „Arbeitsmarktservice“ darlegt (Faschingbauer H. , 2013).

[2]Dies ist die Grundvoraussetzung für das von Mihaly Csikszentmihalyi beschriebene „Flow“-Erlebnis (Csikszentmihalyi, 2010).

 

Literatur

Csikszentmihalyi, M. (2010). Flow: Das Geheimnis des Glücks (15 Ausg.). Stuttgart: Klett-Cotta.

Faschingbauer, H. (2013). Karriereentwicklung. In M. Faschingbauer , Effectuation. Wie erfolgreiche Unternehmer denken, entscheiden und handeln. (S. 166-177). Stuttgart: Schäffer-Poeschel.

Faschingbauer, M. (2013). Effectuation. Wie erfolgreiche Unternehmer denken, entscheiden und handeln. Stuttgart: Schäffer-Poeschel.